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Von der Kunst des
Schenkens ////////
Schenken ist keine Luxushand- schenken liegt in ihrer bezie- Als Bestechungsversuch, als Ge-
lung, für Weihnachten reserviert hungsstiftenden und beziehungs- wissenserleichterung, als Bezie-
oder ein Muss am Geburtstag. erhaltenden Funktion. hungsersatz, als Antwort auf eine
Schenken ist etwas Lebensnot- „...und wer Geschenke gibt, hat Forderung, als Verdienst für ir-
wendiges und Lebensspendendes. alle zu Freunden.“ Spr.19,6 gendeine Leistung, als Dank...
Schenken ist ein Wesenszug Got- „Eine heimliche Gabe stillt den
tes, es verbindet und vertieft Be- Zorn und ein Geschenk im Ver- Zum Schenken gehören
ziehungen. borgenen den heftigen Grimm.“ drei Prozesse: Wollen - Aus-
Spr. 21,14 wahl des Geschenks - Über-
„Die urständliche Beziehung der Wenn ein Geschenk angenom- reichen
Menschen zueinander war eine men wird, stiftet es so etwas wie
gebende, so ist sie im Stande der einen Bund.
Sünde eine rein fordernde.“ (D.
Bonhoeffer) Der beeinflussenden Macht der Geniale
Ich verstehe das so: Eine Gesell- Geschenke kann man sich nicht Geschenk-
Ideen
schaft, in der die Befriedigung so leicht entziehen. Geschenke für Jedermann
der Grundbedürfnisse nur auf verpflichten.
Kaufen und Verkaufen aufbaut, Deswegen ist es bei bestimmten
entmenschlicht! Berufen üblich, dass alle Ge-
schenke an das Personal in eine Werner May
Jedes Geschenk bedeutet auch, gemeinsame „Kasse“ kommen
etwas vom Wertvollsten zu schen- und dass private Geschenke nicht
ken, was wir Menschen haben, angenommen werden dürfen. 1. Wollen
nämlich unsere Zeit, persönliche Denn der Weg zur Bestechung ist Beim Schenken kann meine
Lebenszeit, - beim Überlegen, was recht kurz! Herzenseinstellung (unbewusste
ich schenken soll, beim Besorgen Haltung) zum Schenken nicht
oder Herstellen des Geschenks Geschenke sind z.B. auch eine verborgen werden. Wie den-
und beim Überreichen - und da- Form des Warenaustausches, wie ke ich grundsätzlich über das
durch schenke ich Leben! es in vielen Kulturen der Fall war Schenken?
Jacques Derrida, ein zeitgenös- und ist. Der Brauch, sich durch > Achtung: "Verwöhnen" macht
sischer französischer Philosoph, die Hochzeitsgeschenke das Nö- untauglich für`s Leben< oder
provozierte mit folgender Aussa- tigste für einen eigenen Haushalt > Auf jeden Fall nur angemessen
ge: "Ich schenke, also bin ich." schenken zu lassen, gehört hier- Schenken< oder
her, wie auch die Verpflichtung, > Es macht Freude, jemanden zu
Wirkungen von Geschenken: nicht nur durch eine Einladung "verwöhnen"<
Die Wirkungen von Geschenken zum Hochzeitsfest einen Bruch- Schenken sollte großzügig erfol-
sind sehr unterschiedlich, und je teil davon zurückzugeben, son- gen, sonst wird leicht das We-
nach Haltung und Absicht des dern dann selber bei der Hochzeit sentliche des Schenkens verloren.
Schenkenden können sie positiv anderer ebenso beizutragen. Wir sollten uns in unserem Her-
oder negativ ausfallen. zen in Bewegung setzen von
Wir müssen differenzieren lernen, „Schenken als Pflicht“ hin zu
Eine Hauptbedeutung von Ge- in welchem Geist wir schenken: „Großzügig eine Freude berei-
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